Führung: Senden oder Empfangen?

Im vergangenen Jahr zeigte sich in Projekten der von Oertzen Managementberatung gleich mehrmals ein interessantes Führungs-Problem: Teams und Mitarbeiter beklagten entweder ein Zuwenig oder ein Zuviel an Top-Down-Impulsen. In den Prozessen wurde die Frage laut, wann und in welchem Maße die Unternehmensleitung einerseits sendend, andererseits empfangend führt. In jedem Fall zeigte sich: Wo sendende und empfangende Aspekte in Dysbalance sind, leiden sowohl die Performance als auch die Zufriedenheit.

FOKUS: SENDEN

Wenn der sendende (überspitzt: „anweisende“) Aspekt in der Führung deutlich überwiegt, wird das Führungsteam oft als kraftvoll, zielgerichtet, entschlossen, mitunter schneidend, impulsiv oder Angst einflößend empfunden.

Geräuschvoll gestellte Weichen rufen Begeisterung auf der einen und Widerstände auf der anderen Seite hervor. Entscheidungen polarisieren eher als dass sie integrieren. Ein Teil der Mitarbeiter zeigt sich folgsam, ein anderer Teil rebellisch. Manchmal gibt es nur vereinzelte Mitarbeiter, die der Exekutivmacht begegnen können, ohne Angst haben zu müssen. Hierdurch können neue Denkströmungen und neue Allianzen in ungünstiger Konkurrenz zur Leitung entstehen.

Führungsteams, die stets den eigenen Impulsen folgen, ohne das Ohr am Puls der Organisation zu haben, werden am Ende höchstwahrscheinlich scheitern; so gut ihre Taktik auch sein mag. Mit jeder Maßnahme schaffen sie sich neue Gegner und stärken deren Verbundenheit untereinander. Wenn die Ursache für die Dysbalance im Temperament der Leitungskräfte zu suchen ist, werden Veränderungen an formalen Prozessen kaum etwas ausrichten. Ein zu lange andauerndes Laissez-faire, weil sich niemand traut, Widerspruch zu erheben, kann eine lähmende Wirkung im Unternehmen entfalten.

In den begleiteten Fällen führten vor allem die Bereitschaft zu einer intensiven Reflexionsarbeit und Gruppenprozesse im Dienste einer gemeinsamen Konfliktbearbeitung zu sehr positiven Veränderungen.

FOKUS: EMPFANGEN

Auf der gegenüberliegenden Seite ist das Empfangen überrepräsentiert. Wenn der empfangende (überspitzt: „reagierende“) Aspekt deutlich überwiegt, fokussiert die Leitung möglicherweise zu stark auf die Beziehungsebene.

Sie gibt Bottom-up-Prozessen scheinbar den deutlichen Vorzug und vermeidet klare eigene Entscheidungen. Sie zeigt sich überaus offen in der Kommunikation, wirkt empathisch und fürsorglich; sie kennt die Bedürfnisse der Mitarbeiter. Werte wie Gemeinsamkeit, Respekt und guter Umgang miteinander genießen einen hohen Stellenwert. Die emotionale Ebene des Miteinanders bekommt viel Aufmerksamkeit. Das Management sind die „Good Guys“, die stets auf Positivität in der Kommunikation achten. Vor allem die anderen sollen zufrieden sein.

Vermieden werden hingegen das Einnehmen einer sichtbar leitende Rolle, das Geben von Struktur, klare Entscheidungen oder gegen Gegenwind angehen zu müssen. Der Diskussionsstil erinnert eher an Romane als an Berichte mit Zahlen und Fakten.

Eine solche Führungskultur bringt durchaus Vorteile mit sich: Wenn Arbeitsbeziehungen von Vertrauen und Sympathie gekennzeichnet sind, darf auf der Sachebene auch einmal etwas schiefgehen. Das reduziert die Angst und fördert den ehrlichen Austausch. Frustrierend wird es, wenn die Mitarbeiter das wohlmeinende Handeln der Führung nicht in der gewünschten Weise durch Leistung honorieren. Stattdessen hört man vielleicht: „Wo bleiben die klaren Ansagen?“, „Es fehlt an Orientierung und Anreizen!“, „Gut gedacht, nicht gut gemacht!“…

Wenn Visionen, Orientierung und Grenzen über einen längeren Zeitraum hinweg unklar bleiben, geht das Vertrauen in die Führung zurück. Durch den fehlenden Aspekt klarer Autorität entsteht ein Machtvakuum. In der Praxis zeigte sich, dass es für die Organisation gefährlich werden kann, wenn zu lange übersehen wird, dass das Leitungsteam schleichend an Handlungsfähigkeit verliert.

Im Prozess führte ein offener Austausch zu individuellen Haltungen und Führungs-Charakteristika sowie zur Vision für das Unternehmen eine Stabilisierung des Systems herbei. Dies legte den Grundstein für die anschließenden Verbesserungen von Prozessen.

In Balance

Orientierung geben durch Senden einerseits und empfangend eine empathische Haltung besitzen. Die stabile Balance fördert die Peformance der Organisation.

Andreas von Oertzen

Mit zwei Jahrzehnten Führungs- und Managementerfahrung, umfassenden Ausbildungen als systemischer Organisationsberater, Diplom-Ingenieur, Industriekaufmann und Business-Coach bringe ich eine reichhaltige Palette an inspirierenden und praktischen Werkzeugen mit. Doch was wirklich zählt sind die tiefgreifende Praxis-Erfahrung und die kontinuierliche Weiterentwicklung meiner Beraterkompetenzen.

Die positiven Rückmeldungen meiner Kunden über entscheidende Lösungen und langfristigen Erfolg sind für mich die größte Bestätigung und Belohnung für mein Tun. Es sind vor allem diese Erfahrungen, die meinen integralen Beratungsansatz über die drei Ebenen Betriebswirtschaft, Systemtheorie und Psychologie seit der Gründung im Jahr 2010 kontinuierlich verfeinern.