Merkmale einer schlüssigen Vision: Kontinuität und Wandel

Von der Kunst, die Grundwerte zu bewahren und gleichzeitig den Fortschritt zu stimulieren. Ein Treiber für nachhaltigen Erfolg von Unternehmen und Organisationen.

Eine schlüssige Vision leistet zweierlei:

  1. Sie bringt stark motivierende Veränderungskräfte in Gang. Eine kraftvolle Vision gibt Orientierung und entfaltet eine Strahlkraft, die in der Lage ist, Menschen mitzureißen und zu begeistern. Die Aussage ist: „So wollen wir, dass es wird!“ Dabei steht der Nutznießer im Fokus.
  2. Sie beschreibt den Daseinsgrund, also den höheren Sinn, den ‚higher purpose‘, warum das Unternehmen existiert. In einer guten Vision wird die Beschreibung des „Großen Ganzen“ deutlich und greifbar. In einem zunehmend volatilen Umfeld wird die Klarheit darüber, wofür man als gesamtes Unternehmen eigentlich antritt, immer wichtiger.

Mit Blick auf diese zweifache Bedeutung einer Vision ist die folgende Unterscheidung wichtig: Was im Unternehmen ist für Veränderungen offen, und was sollte sich nicht ändern? In überspitzten Worten: Was ist uns „heilig“ und was nicht?

Die Fähigkeit, eine kraftvolle Vision zu entwickeln, ist somit eng mit dem erfolgreichen Managen von Kontinuität und Veränderung verbunden. Unternehmen, die über einen langen Zeitraum erfolgreich sind, passen ihre Geschäftsstrategien und -praktiken andauernd an eine sich verändernde Welt an. Gleichzeitig besitzen sie einen Kern, der unverändert bleibt.

Umfangreiche Veränderungen der Betriebspraktiken, der Geschäftsstrategien und im Managementteam bedeutet nicht, den Geist des Unternehmens zu verlieren. Eine schlüssige Vision bietet also eine Orientierung darüber, welche Kernprinzipien bewahrt werden sollen, und wo Fortschritte und Veränderungen angestrebt werden.

Eine permanente Herausforderung in der Praxis: Was ist uns „heilig“ und was nicht?

Die Kunst, die Grundwerte zu bewahren und gleichzeitig den Fortschritt zu stimulieren, ist ein Treiber für nachhaltigen Erfolg von Unternehmen und Organisationen. Sie sind in der Lage, sich selbst zu erneuern und dennoch kontinuierlich eine hervorragende Leistung zu erzielen.

Menschen in der modernen Welt suchen nach einem Sinn in ihrem Handeln. Studien zeigen, dass die empfundene Sinnhaftigkeit eigener Arbeit weit mehr Bindungs- und Motivationskräfte entfaltet, als ein gutes Gehalt dies zu leisten vermag. Eine stimmige Vision reißt Mitarbeiter und Kunden gleichermaßen mit. Das sagt sich leicht, ist aber anspruchsvoll, denn die Sensibilität der Menschen für Stimmigkeit oder Nicht-Stimmigkeit ist hoch.

Führungskräfte wechseln, Produkte werden obsolet, Märkte ändern sich, neue Technologien entstehen, Management-Moden kommen und gehen. Gleichzeitig bleibt die Kernideologie in einem hervorragenden Unternehmen als Quelle der Orientierung und Inspiration erhalten. Sie liefert den Klebstoff, der die Organisation zusammenhält, während sie dezentralisiert, ihre Produkte diversifiziert, expandiert, das Geschäft modifiziert.

Der Schlüssel ist gar nicht so sehr, welche Kernwerte eine Organisation hat, sondern dass sie überhaupt Kernwerte hat.

Die Visionsentwicklung

Es ist empfehlenswert, Visionen innerhalb eines konzeptionellen Rahmens zu definieren. Aus zunächst vagen Konzepten und möglicherweise verschwommenen trendigen Begriffen entsteht schrittweise eine Orientierung gebende Klarheit und präzise Ausrichtung.

Verschiedene Methoden können dabei wirkungsvoll unterstützen und Fehler und Fallstricke vermeiden helfen. Offene Moderationsverfahren unterstützen beim Umgang mit gruppendynamischen Effekten und Konfliktpotenzialen im Zusammenhang mit der Visionsentwicklung zusätzlich.

„Vision“ ist ein überstrapazierter Begriff. Wie die Praxis zeigt, verbinden Unternehmen und Menschen die unterschiedlichsten Bilder und Konzepte damit. Ob tief verwurzelte Werte, herausragende Leistungen, beeindruckende qualitative Ziele oder ehrgeizige Kennzahlen.

Eine kraftvolle Vision gibt als Leuchtturm eine strategische Orientierung für das gesamte Unternehmen. Deren Entwicklung darf keine entkoppelte Pflichtübung sein, die von Zeit zu Zeit in Vorstandsetagen, Strategiebereichen oder PR-Abteilungen stattfindet. Eine gute Vision ist als Richtlinie geeignet und lässt sich gleichzeitig auf Ziele runterbrechen. Auch kann sie verhindern, dass man sich beim Wirtschaften von Opportunitäten verführen lässt, die nicht zur Stärkung der Organisation beitragen.

Wenn die Vision erreicht ist, muss sie geändert werden! Es war eine große Überraschung, als General Motors im Jahr 2010 Ford, die ewige „Nummer 1 der Automobilhersteller weltweit“, überholt hat. Ford hatte seine Vision erreicht und nicht mehr aktualisiert.

Andreas von Oertzen

Hintergrund: 20 Jahre Führungs- und Managementerfahrung in Konzernen und KMU. 14 Jahre Beratungserfahrung. Systemischer Organisationsberater, Diplom-Ingenieur Informationstechnik (Univ.), Industriekaufmann (Siemens AG), Coach (Univ.), Mediator (Univ.).

Ausrichtung: Integraler Beratungsansatz über die drei Ebenen Betriebswirtschaft, Systemtheorie und Psychologie. Unterstützende Konzepte: Spiral Dynamics, Theorie U, Dynamic Facilitation, Resilienz-Navigator, Enneagramm.

Feldkompetenzen: Wissenschaftsmanagement, Logistik, Entertainmentindustrie, Behörden, Energieeffizienz, Ingenieursbüros, Agenturen.

Motto: „Die zahlreichen positiven Rückmeldungen meiner Kunden sind für mich die größte Bestätigung und Belohnung für mein Tun. Insbesondere dann, wenn jemand im Prozess durch etwas Unbequemes hindurchgehen musste. Es sind vor allem diese Erfahrungen, die meine Beratungsarbeit kontinuierlich verfeinern.“